Rassismus in Deutschland?

Als ich noch besser zu Fuß war, arbeitete ich gerne in Auslandsprojekten. Andere Kulturen kennenzulernen und es auch noch bezahlt zu bekommen, war nicht die schlechteste Möglichkeit, für die Miete zu sorgen. Während eines Projekts in Lateinamerika traf ich auf eine schwarze Texanerin. Ihre Geschichten über die heute noch existierende Rassenproblematik konnte ich zunächst kaum glauben. Zumindest hielt ich sie für stark übertrieben.

Ich bin in der Nähe einer Housing Area der US Streitkräfte aufgewachsen und habe mit Kindern aller Hautfarben gespielt. Für mich war es selbstverständlich, dass Menschen unterschiedlich aussehen und sprechen. Unsere gemeinsame Sprache entwickelte sich ganz natürlich aus unseren Spielen. Rassismus gehörte nicht zu unserem Wortschatz. Das einzige, das unseren Umgang mit anderen beeinflusste, war die Art, wie sie uns behandelten. Viele brachten auch eigene Spiele aus ihrer Kultur mit. Unsere Rasselbande war wie eine Türe Smarties, einfach bunt.

Neue Kinder brachten immer auch neue Ideen und neue, faszinierende Spiele mit. Manche trugen andere Kleidung oder Kopfbedeckungen. Das war eben so. Andere kamen Freitag, Samstag oder Sonntag nicht raus zum Spielen. Schön war es, wenn sie von zu Hause etwas zu Essen mitbrachten. Meistens war es süß und ziemlich klebrig. Einmal brachte ein Mädchen eine Dose mit, aus der sie begeistert einen furchtbar stinkenden Fisch zog. Ihrem Gesicht nach musste der eine Geschmackssensation sein. Vorsichtig probierte ich ein winziges Stück. Sensationell war das schon, aber nicht auf die Art, die ich erwartet hatte. Selbst jetzt, da ich diese Zeilen Jahrzehnte später schreibe, habe ich wieder diesen entsetzlichen  Geschmack im Mund. Unser Verhältnis kühlte für die nächsten Stunden etwas ab. Nachdem sie einige Tage später das leckerste Lakritz mitbrachte, das ich bisher gegessen hatte, waren wir wieder allerbeste Freunde.

Andere Menschen mögen sich anders kleiden, andere Feiertage oder Ernährungsgewohnheiten haben. Deswegen müssen sie aber keine besseren oder schlechteren Menschen sein. Dieses Credo sog ich praktisch während meiner Kindheit auf.

Umso mehr Unglauben brachte ich den Geschichten meiner texanischen Kollegin entgegen. Natürlich hatte ich schon über Rassentrennung und -Diskriminierung gelesen. Es ist aber ein Unterschied, ob man von etwas liest, oder es von Betroffenen berichtet bekommt. Später sollte ich sogar direkt erleben, wie es sich anfühlt. Dass es so etwas in meiner Heimat geben sollte, in einem Land, in dem die Gleichheit sogar im Grundgesetz verankert ist, lag jenseits meiner Vorstellungskraft.

Heute wird Menschen, die sich schutzsuchend an uns gewandt haben, das Dach über dem Kopf angezündet.  Andere werden gejagt, verprügelt, ja sogar getötet, nur weil sie anders aussehen. Horden ziehen durch die Straßen, skandieren: „Deutschland den Deutschen“.

Ist das noch mein Deutschland? Das Land von Toleranz, Religions- und Gedankenfreiheit?

Klar ist es das! Nur, weil sich bildungsresistente Arschlöcher aufführen, wie die Axt im Walde, werde ich mit Sicherheit nicht Deutschland und die Deutschen pauschal verurteilen. Da wäre nämlich ebenfalls Diskriminierung und würde mich auf eine Stufe mit den Wutbürgern stellen.

Aber es wird Zeit, dass wir diese trotzigen Kinder mal zur Ordnung rufen, die die Geschichte nicht verstanden haben. Zur Not brauchen die auch mal einen kleinen Klaps auf die Finger.

Damit mein Deutschland wieder das Land der Freiheit, des Wissens  und der Toleranz wird in dem Dinge, wie Rassismus undenkbar sind.

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