Der Tag der Einheit – für mich ganz besonders

Immer am Tag der Deutschen Einheit muss ich an meine frühe Kindheit denken. Warum? Ich wurde am Tag der Einheit geboren. Der lag über 30 Jahre lang im Frühsommer, was heute nicht mehr viele wissen.

Als kleiner Stöpsel fand ich es ganz toll, dass alle Leute frei hatten, nur weil ich Geburtstag habe. Mein Vater musste unglaublich einflussreich sein. Und immer pünktlich zu meinem Geburtstag wuchsen Erdbeeren in unserem Garten. Heute noch ist ein Geburtstag ohne Erdbeerkuchen für mich nicht komplett.

Dann saß ich, inzwischen verheiratet, mit meiner kleinen Familie vor dem Fernseher und sah zu, wie diese hässliche Mauer plötzlich durchlässig wurde. Dieses Gefühl, als die ersten Trabbis und Wartburgs unter frenetischem Jubel der Menschen durch die Lücke fuhren. Alleine der Gedanke daran, Geschichte direkt miterlebt zu haben, löst heute noch eine Gänsehaut bei mir aus.

Das das nicht einfach werden würde, die nach 40 Jahren unterschiedlich gewordenen Mentalitäten zusammen zu bringen, manchen war es bewusst, dem meisten aber gleichgültig. Das Gefühl, endlich wieder ein Volk zu sein, das war uns allen wichtig. Endlich konnten wir uns als Deutsche bezeichnen, ohne diesen bitteren Nachgeschmack im Mund zu spüren.

Wenn ich heute lese, dass dieser Tag uns viel gekostet hätte, oder schlimmer noch, dass wir uns unerwünschte Elemente ins Land geholt hätten, dann packt mich die Wut. Erstens gibt es Dinge, die lassen sich nicht kalkulieren und in Zahlen fassen. Alles hat seinen Preis, es kommt nur darauf an, als wie hoch wir den empfinden. Unerwünschte Elemente hätten wir uns geholt? Nein, die waren schon da, die haben sich nur nicht getraut, den Mund aufzumachen.

Was wäre denn die Alternative gewesen? Zwei Deutschlands, die dann im Zuge der EU zusammenwachsen, daran haben einige gedacht. „Wenn die D-Mark nicht in den Osten kommt, dann kommt der Osten zur D-Mark!“ Der Spruch war allenthalben zu hören. Statt die Familie wieder zusammen zu bringen, hätten wir plötzlich 16 Millionen Flüchtlinge hier gehabt. Nein, das wieder vereinte Deutschland war dann schon die deutlich bessere Idee.

Ich feiere meinen Geburtstag dann eben etwas bescheidener, ein Preis, den ich sehr gerne bezahle – für eine demokratische und friedliche Revolution.

Für Einigkeit, Recht und Freiheit – und für das Gefühl, ein Teil gelebter Geschichte gewesen zu sein.

 

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