Ich bin vielleicht behindert, aber deshalb noch lange nicht unmündig!

Surft man heute als Mensch mit Behinderung in den sozialen Netzwerken, dann besteht der Grundtenor meist aus Heulen und Wehklagen. „Die Regierung verarscht uns“ oder: „Aus der Inklusion wird nie was“. Gerne profilieren sich einige mit der Falschmeldung: „Ich darf nur 2600 Euro haben, weil ich behindert bin“.
Während die meisten dieser Posts aus dem Wiederkäuen populistischer Inhaltslosigkeiten bestehen, lässt sich damit wenigstens etwas anfangen. Diese 2600 Euro-Grenze gibt es nämlich wirklich – für Menschen, die beispielsweise auf Grundsicherung angewiesen sind. Unsere Gemeinschaft lässt nämlich niemanden verhungern. Wer bedürftig ist, bekommt Hilfe aus dem Sozialtopf. Bedürftig heißt dabei, dass man sich nicht mehr aus eigener Kraft helfen kann. Ein Indiz für Bedürftigkeit ist, weniger als 2600 Euro angespart zu haben.
Ich kenne Behinderte, die gutes Geld verdienen. Ich kenne nicht Behinderte, die Hartz IV beziehen.

Manche Menschen, die Assistenz benötigen, müssen diese aus dem Sozialtopf finanzieren. Da schließt sich der Kreis. Um nämlich etwas aus dem Sozialtopf zu erhalten, muss man bedürftig sein.
Das soll im Rahmen des neuen Teilhabegesetzes anders geregelt werden – eine der Forderungen der Behindertenverbände. Diesmal hat die Regierung nämlich die von dem neuen Gesetz Betroffenen aufgefordert, ihre Ideen dazu einzubringen.
Und so manche sind der Aufforderung gefolgt.
Das sind die, die die Bedeutung des Wortes Demokratie verstanden haben. Demokratie, die Herrschaft des Volkes. Und weil wir nicht alle durcheinander regieren können, wählt das Volk, also wir, regelmäßig eine Regierung. Das sind Menschen, denen wir zutrauen, unsere Angelegenheiten möglichst in unserem Sinne zu regeln. Wem die meisten Menschen das zutrauen, die bilden dann eine Regierung.
Fragt man aber die, die am lautesten Schreien: „Und was tust du?“, dann erhält man die tollsten Antworten.
„Nichts, mir hört ja keiner zu“, oder: „Was soll ich Einzelner denn schon tun?“

Da gibt es schon mal eins: Wählen! Keine ungültigen Zettel abgeben oder erst gar nicht hingehen. Und da ist es auch gleichgültig, ob das Kreuzchen die Linken bekommen, Sozial- oder Christdemokraten, Liberale oder Christlich-Soziale. Jede nicht abgegebene oder ungültige Stimme ist eine für die extremen Gruppierungen, egal, ob Links- oder Rechtsaußen. Die mobilisieren nämlich ihre Klientel.
Aber das ist erst der erste Schritt. Um selbst etwas für sich bewegen, zu können, gibt es Gemeinde- oder Stadtteilparlamente. Da findet die Demokratie noch an der Basis statt! Viele Sitzungen dieser kleinsten demokratischen Elemente sind öffentlich. Da können ganz normale Bürger hingehen. Und als ganz normale Bürger können wir dort mit den von uns gewählten Abgeordneten reden, ihnen unsere Ideen vermitteln. Oder vielleicht sogar selbst mitreden, bei der nächsten Wahl selbst kandidieren. Für den Gemeinderat, den Kreis-, oder Landtag. Es muss nicht immer gleich der Bundestag sein.

Allerdings muss ich dazu meine Meinung selbst vertreten und auch mal gegen eine andere Meinung abwägen oder verteidigen.
Oder ich töne in den sozialen Netzwerken gegen anders Denkende, anders Aussehende, anders sprechende. Vielleicht sogar gegen die, die andere gewählt haben. Warum denn auch wählen? Die machen doch eh, was sie wollen. Die? Wer sind denn die? Und wer ist das Volk?
Was das mit Behinderungen zu tun hat? Nichts. Behinderte sind nämlich auch das Volk. Oder die Regierung.
Solange sie sich nicht selbst für unmündig erklären, indem sie einfach nichts tun.
Schon mal darüber nachgedacht?

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