Pflegende Angehörige – die Unsichbaren an unserer Seite

Viel wurde geschrieben über Mütter und Väter, die sich für ihre behinderten Kinder aufopfern – vom Tag ihrer Geburt an.
Kinder sorgen für ihre Eltern, still und ohne zu klagen.
Innerhalb von Familien ist das selbstverständlich. Dies sieht die Gesellschaft so, der Gesetzgeber, unser ganzes Sozialwesen.
Langsam, ganz langsam setzt sich der Gedanke durch, dass solches Engagement ganz und gar nicht selbstverständlich ist. Schließlich geben unsere Angehörigen einen großen Teil ihres Lebens dafür auf, damit wir so etwas, wie ein Leben führen können.

Liebe Angehörige,
wir empfinden das als ganz und gar nicht selbstverständlich. Das Opfer, das ihr für uns bringt, ist uns jedes einzelne Mal aufs Neue bewusst. Jede Art von Dank sähe gegen die Größe eures Opfers einfach nur schäbig aus. Deswegen tun wir so, als wäre das alles für uns selbstverständlich.
Und deswegen möchte ich mich für alle, die von ihren Angehörigen gepflegt werden, dafür bei euch bedanken. Nein, ich möchte es nicht nur, ich tue es: Danke!

Eine Gruppe von pflegenden Angehörigen fiel bisher meistens durch jedes Raster. Das sind die Partner, die sich plötzlich vor das Problem gestellt sehen, dass die Person, mit der sie den Rest ihres Lebens verbringen wollten, ein Pflegefall ist. Das ist kein Kind, das schon lange krank ist, keine Eltern oder Großeltern, denen es nicht mehr so gut geht.
Von einem Moment auf den anderen ist der Mensch, auf der ein Teil des eigenen Lebens aufbaut, von einem abhängig. Er muss gewaschen werden, vielleicht sogar gefüttert. Dinge, die er bisher selbst im Bad erledigt hat, finden vor den Augen des Partners statt.
Mit ein bisschen Glück gibt es noch eine Einweisung von der behandelnden Klinik.
Und dann ist man zu Hause.
Zu Hause mit der Person, auf die man sich bisher verlassen konnte und man muss einfach nur funktionieren.

Das eigene Befinden gerät komplett in den Hintergrund. Ja vielleicht wurde man selbst verletzt, als sich das Leben des Partners so abrupt änderte. Dass das eigene Leben genauso brutal zu Ende ging, so wie es eben noch war, das interessiert keinen. Im Gegenteil, immer nur wird gefragt: „Wie geht es ihm denn? Wie geht es ihr denn?“
Die wichtigste Frage stellt keiner: „Wie geht es dir?“

Man selbst ist quasi unsichtbar. Ein Hilfsmittel, Rollstuhlschubser, Blindenführer, Funktion.

Liebe Freunde, wenn ihr jemanden trefft, der oder die von ihren Partnern begleitet wird, dann fragt doch einfach mal die Partner, wie es ihnen geht.
Man erwartet von ihnen, selbstverständlich zu funktionieren, sieht nur die Behinderung des einen.
Unsere Partner sind genauso behindert. Ihr Leben hat sich genauso drastisch verändert. All die Wünsche, all die Pläne – vergangen, für beide. Allein gelassen mit sich selbst, im Schatten der Behinderung des Partners verschwunden – und keinen interessiert’s.

Liebe Freunde, die Person, die sich da an meinem Rollstuhl festhält, ist kein sich von selbst bewegendes Hilfsmittel. Es ist meine Frau, die aus eigener Entscheidung bei mir geblieben ist und dieses neue Leben mit mir teilt. Mit allen Höhen und Tiefen.
Und ganz plötzlich bekommt ein Satz die tiefe Bedeutung zurück, den so viele von uns einmal gesagt haben, ohne groß darüber nachzudenken: “ … in guten, wie in schlechten Zeiten …“.

Ob Partner, Elternteil, Kind, Enkel – Sag mal, wie geht es dir eigentlich?

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2 Antworten zu Pflegende Angehörige – die Unsichbaren an unserer Seite

  1. SammyLuGina sagt:

    Ich danke dir sehr für die Zeilen, sind sie doch Wahr, ich hatte Tränen in den Augen weil ich mich in deinen Zeilen wieder gefunden habe. Ich Pflege meinen Mann und meine Sohn, ja es fragt keiner wie geht es Dir, man muss einfach Funktionieren, alles ist Selbstverständlich, Krank sein darf man nicht, den das wird nicht Akzeptiert. Man steht als Pflegender Angehöriger ganz alleine da, hat man Schmerzen im Nacken weil mal schwer heben muss, bekommt man noch nicht mal Massagen aufgeschrieben, denn das ist Luxus, und Luxus muss man selber bezahlen, laut Aussage des Orthopäden. Es stimmt, man gibt alles auf, denkt nicht an sich. Danke Dir vom ganzen Herzen, du hast mir aus der Seele gesprochen.

  2. Pingback: Ein besonderer Dank an die pflegenden Angehörigen | Pflege durch Angehörige

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