Den Rechten nicht den Mund verbieten?

Eine in heutiger Zeit nicht ungefährliche Frage: „Macht es mich zum Mittäter, wenn ich die ‚besorgten Bürger‘ nicht zum Schweigen bringe?“ Andersherum wird ein Schuh draus. Damit würden wir nämlich das Andenken an Menschen, wie die Geschwister Scholl mit Füßen treten. Diese und viele andere gaben ihr Leben dafür, dass auch Meinungen, die dem Mainstream unangenehm waren, nicht automatisch die Freiheit oder das Leben kosteten.

KZ

Nie wieder!

Wenn Menschen ihre Besorgnis darüber äußern, dass so viele unterschiedliche Kulturen unsere eigene Lebensart beeinflussen könnten, so sollten wir ihnen zuhören und ihnen mit glaubwürdigen Argumenten ihre Ängste nehmen. Andernfalls werden diese in Gewalt umschlagen.

Wenn ich einem Kind, das Angst vor dem Monster im Schrank hat, sage, es solle sich nicht so anstellen und die Klappe halten, darf ich mich nicht wundern, wenn es irgendwann auf dem Schulhof andere Kinder verprügelt. Es hat nie gelernt, mit dem Unbekannten umzugehen und wird es als Bedrohung empfinden.

Öffne ich abends den Schrank und zeige dem Kind, das nichts Gefährliches drin ist, installiere vielleicht noch ein Nachtlicht oder setze mich ans Bett, um mir seine Sorgen anzuhören, dann wird es sich ernst genommen und geborgen fühlen.

Aber ist denn die Beeinflussung meiner Kultur so gefährlich? Also, ich möche auch in Zukunft mit meiner Famile das Weihnachtsfest feiern oder den Kindern beim St.-Martins-Umzug zusehen. Ich möchte aber auch gerne einmal an einem muslimischen Fastenbrechen oder einem jüdischen Chanukka teilnehmen. Ich sehe die Möglichkeit dazu als Bereicherung meines Umfeldes an – nicht als Gefahr. Kultur ist im ständigen Wandel. Genau das stärkt sie.

Die Vorfahren, der Menschen, die von manchen hierzulande als Gesocks bezeichnet werden, haben in Damaskus schon chirurgische Techniken gelehrt, als bei uns Alternativmediziner noch als Ketzer auf dem Scheiterhaufen landeten.

(Quelle: Pinterest)

Als ich noch im BRAVO-Alter war, wurde dem englischen Sänger Elton John eine heimliche Hochzeit mit der deutschen Schauspielerin Barbara Valentin angedichtet. In Interviews äußerte sie sich dazu, dass das eine Privatsache zwischen ihr und Elton sei und man das doch bitte respektieren möge. Eine eventuelle Homosexualität Elton Johns war damit vom Tisch.

Später funktionierte eine ähnliche Aktion ganz hervorragend mit Freddie Mercury.

Heute wird bei einer Zeitungsmeldung über die Hochzeit eines CDU-Politikers mit einem Mann höchstens die grammatikalische Korrektheit der Schlagzeile kritisiert.

Im Jahr 1971(!) wurde in der Schweiz das Frauenwahlrecht eingeführt.

Maria aus Magdala war eine untadelige Frau von altem jüdischen Adel. Erst ein Papst, ich glaube, es war ein Clemens, sorgte dafür, dass aus ihr eine Prostituierte wurde. Judith erschlug den Feldherrn des Nebukadnezar – und was mit Johanna von Orleans passierte, lässt sich überall nachlesen. Aber selbst der älteste Männerverein der Welt beginnt, die Patina, die in rund zweitausend Jahren das Bild der Frau verkrustet hat, an der Oberfläche etwas anzukratzen. Glücklicherweise haben Scheiterhaufen als Argumentationshilfe inzwischen ausgedient.

Im Koran wird übrigens Isa ben Maryam, also Jesus, der Sohn von Maria als einer der größten Propheten des Glaubens dargestellt. In älteren Ausgaben gelten Juden und Nazarener, wie sich die Christen früher nannten, nicht als Ungläubige, sondern als Menschen, die ebenfalls den einen Gott verehrten. Dass die Übersetzungen der betreffenden Suren in den letzten Jahren mehrmals überarbeitet wurden, mag ich nicht bewerten. Dazu fehlt mir die tiefe Fachkenntnis und das Sprachverständnis. Vielleicht sollten bestimmte Leute einfach ihre eigene Lektüre mal im Original lesen. Mein Arabisch ist mehr, als dürftig.

Aber genauso, wie die Salafisten den Koran journalistisch überarbeiten, haben Papst Innozenz und seine Nachfolger versucht, das Bild der Frau in der Bibel ihren Ansichten anzupassen. Der zeitliche Abstand kommt sogar fast hin.

Und wenn irgenwelche Afghanen glauben, sie könnten hier unsere Mädchen abstechen, dann werden sie ganz schnell feststellen, wo unsere Toleranz endet. Mord ist Mord, egal welche Hautfarbe, Kultur oder Herkunft keine Rolle spielt.

Wir, unsere Eltern und Großeltern haben hart und leidenschaftlich daran gearbeitet, dass in unserem Land eine Kultur der Vielfalt und Toleranz gelebt werden kann.

Das lasse ich mir weder von religiösen Fundamentalisten, noch von bildungsresistenten Geschichtsverweigerern kaputtmachen!

Lieber diskutiere ich so lange mit denen, bis sie freiwillig das Weite suchen.

Und für die, die übertreiben, haben wir ein griffiges Strafrecht, das keine Unterschiede macht.

In diesem Sinne: Lassen wir uns auch in 2018 unser Leben nicht kaputtmachen.

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