Verurteilt doch bitte keine Religion wegen ihrer Extremisten

Jetzt geht wieder das Gehetze gegen Muslime los.

Der Islam ist ungefähr 800 Jahre jünger als das Christentum.

Überlegen wir mal, wie radikale Christen in Deutschland vor 800 Jahren mit Andersgläubigen verfahren sind.
Das soll keine Sympathieerklärung für radikale Attentäter sein.

Ich selbst bemühe mich, mein Leben nach Grundsätzen, wie Toleranz, Friedfertigkeit und Akzeptanz anders Denkender zu führen, was ich als christliche Grundsätze betrachte.

Dazu gehört auch, die 99,9% von viereinhalb Millionen Muslimen in Deutschland, die einfach nur in Frieden hier leben wollen, in Frieden hier ihren Glauben leben zu lassen.

Die passende Antwort darauf kommt von Aiman Mazyek, Vorsitzender des Zentralrates der Muslime in Deutschland:

„Wer Mord und Terror über die Menschen bringt, der hat sich an der Menschheit vergangen, der hat sich an Gott vergangen – der hat Verrat an unser aller Zivilisation und den Werten jeder Religion begangen, der hat gegen Koran und den Propheten gehandelt.“

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Werden wir von der Regierung verarscht?

Ja, diese Frage wurde mir tatsächlich gestellt: „Hast du das Gefühl, dass diese Regierung uns verarscht?“
Worum ging es? Na klar, worum es im Moment allen geht, um die Corona-Pandemie.

Fassen wir doch mal zusammen:
Es ist wohl außer Frage, dass wir es weltweit mit einer ansteckenden Krankheit zu tun haben. Ob das jetzt eine Labor-Pandemie, eine weltweite Seuche, oder was auch immer ist, ist an dieser Stelle von untergeordneter Bedeutung.
Fakt ist außerdem, dass wir momentan immer noch nicht genau wissen, warum diese Krankheit manchmal tödlich verläuft und manchmal fast symptomfrei ist. Dass das auch die Regierung nicht so genau weiß, stelle ich jetzt einfach mal als Behauptung in den Raum.

Genauso steht fest, dass andere Länder mit einem gewissen Unverständnis auf uns blicken. Wir haben im Verhältnis zu unseren Nachbarn relativ wenig tödlich verlaufende Fälle pro 1000 Einwohner. Wir scheinen also die Auswirkungen der Pandemie leidlich im Griff zu haben. Ebenso versucht die Regierung mit einem Soforthilfeprogramm die Unternehmen und auch die Freiberufler, deren Existenz sich während des Lockdowns quasi in nichts aufgelöst hat, vor einem Totalverlust zu bewahren. Wie unbürokratisch da verfahren wird, kann ich nicht beurteilen, aber dass man das Geld nicht einfach nach dem Gießkannenprinzip frei verteilt, kann meiner unmaßgeblichen Meinung nach, wohl jeder nachvollziehen.

Die Zahlen der Ansteckungen, die man uns bekannt gibt, sind zwar relativ hoch, aber manche fragen sich, wo den dann die vielen Toten seien. Genau die sind es auch, die gegen die Beschränkung unserer vermeintlichen Freiheit zu Tausenden auf die Straße gehen.

Fassen wir mal zusammen:
Länder, die mit dem Thema etwas unverkrampfter umgehen, haben deutlich mehr Ansteckungs- und Todesfälle. Die entsprechenden Statistiken werden täglich aktualisiert. Beispielsweise unsere freiheitsliebenden französischen Nachbarn haben deutlich mehr Probleme, die Auswirkungen der Krankheit in den Griff zu bekommen. Wo es hervorragend funktioniert hat, sind Länder, wie China oder Nordkorea. Wuhan, der Bezirk, in dem die Krankheit zum ersten Mal festgestellt wurde, ist praktisch coronafrei. Warum? Tür zu – keiner rein oder raus, bis alle Erkrankten gesund oder tot sind. Drastisch, aber es funktioniert. In unserem Land ist das undenkbar.

Ich persönlich habe das Gefühl, dass die Zahlen, die uns präsentiert werden, stimmen. Sie werden allerdings so präsentiert, dass uns bewusst nicht die Angst genommen werden soll. Mit ein bisschen Besorgnis sind wir alle etwas aufmerksamer und vorsichtiger. Das Motto scheint zu heißen: „Besser maskiert, als beatmet“.

Nun, ich für meinen Teil denke mir, wenn ein Stück Stoff vor dem Gesicht mich und andere auch nur zum Teil vor einer Ansteckung schützt, dann wäre ich bekloppt, das nicht zu nutzen. Wenn ich draußen die Hinterlassenschaft meines Hundes wegmache, dann benutze ich auch eine Tüte und nehme das Zeug nicht so in die Hand. Könnte ich aber – die Freiheit habe ich.

Verarscht uns die Regierung also? Nun, manche Regierungsstellen mögen etwas dramatisieren, andere wieder zu sehr verharmlosen. Aber das ist Politik, in jedem Wahlkampf werden ganz andere Töne gespuckt.

Was mir viel mehr Angst macht und diesmal wirklich Angst: Gewisse Kreise nutzen diese Situation, um einen Keil zwischen uns zu treiben. Eine Gemeinschaft, die auf Kooperation und Solidarität basiert, hier einen Keil hineinzutreiben, der uns bis in die Familie hinein spaltet -qui bono?
Wem nutzt das?

Wer hat das Wissen und die Mittel, durch gezielte Falsch- und Desinformation unser in sich stabiles und gefestigtes System, ja unsere Demokratie dermaßen nachhaltig zu erschüttern?
Wer ist so zynisch, abgebrüht und menschenverachtend und nutzt diese Situation aus, um unsere demokratische Gemeinschaft dergestalt zu destabilisieren?
Wer bringt bisher aufrechte Demokraten dazu, zu fragen, ob man sich von der – von uns allen gewählten – Regierung verarscht fühle?
Die Regierung? Sicher? Also, wer das glaubt, der glaubt auch, dass ihm das Ordnungsamt die Wohnung aufräumt.

Also ich persönlich würde mal in die Richtung derer schauen, die so gerne die Zeit vor 1933 wieder hätten. Aber das ist meine ganz persönliche Meinung, die ich hoffentlich noch lange hier äußern kann.
Schließlich sind hier in diesem Land Menschen für diese Freiheit gestorben.

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Wenn Menschlichkeit strafbar ist …

Im internationalen Seerecht ist jeder verpflichtet, Menschen aus Seenot zu retten, einmal ganz abgesehen davon, dass es ein Gebot der Menschlichkeit ist. Dabei ist es vollkommen unbedeutend, wie die Person in Seenot geraten ist. Ein Kapitän, der an einem Ertrinkenden vorbei fährt, ist die längste Zeit Kapitän gewesen.

(Symbolfoto: Pixabay)

In Italien scheint dies nicht mehr zu gelten. Dort gelten Menschen in Seenot nur als solche, solange sie in (internationalem) Wasser sind. Sobald sie an Bord genommen wurden, mutieren sie auf wundersame Weise zu potenziellen illegalen Einwanderern. Nun gibt es die Organisation Sea Watch. Diese möchte die Zahl derer, die sich in kaum seetüchtigen Booten aus ihrer Heimat zu retten versuchen, davor bewahren, als Wasserleiche irgendwo angespült zu werden. An sich ist das ein löbliches Unterfangen. Für klein Fritzchen ist es einleuchtend, dass eine Seenot-Rettung damit abschließt, dass gerettete Menschen irgendwann an Land abgesetzt werden.

Nun ist ein italienischer Innenminister natürlich nicht klein Fritzchen. Er hat kein Problem damit, wenn Ertrinkende irgendwo aus dem Wasser gezogen werden, solange es kein italienisches Wasser ist. Menschen, die in italienischem Wasser schwimmen – siehe oben.

Mit dieser Auffassung ist er nicht alleine. Der Chef seines US-Kollegen hat das Prinzip noch verbessert. Menschen, die im Rio Bravo schwimmen, sind ganz normale Schwimmer. Schwimmen sie im Rio Grande, sind es gefährliche illegale Einwanderer und zum Abschuss freigegeben. Dass es sich um ein und dasselbe Gewässer handelt, das sind nach seiner Meinung “Fake News”.

Doch zurück nach Italien. Hier wurde die Kapitänin eines Schiffes, die sich erlaubte, Menschen nicht nur aus Seenot zu retten, sondern zu einem nahe gelegenen Hafen zu bringen, wegen Beihilfe zur illegalen Einwanderung verhaftet und ihr Schiff beschlagnahmt. Außerdem droht ihr eine Geldstrafe von 50000 Euro und eine Haftstrafe. Ob das hilft, den maroden italienischen Haushalt zu retten, den der ehrenwerte Herr Innenminister mit versaubeutelt hat?

Meinen Hut ziehe ich vor der Kapitänin des Rettungsschiffs. Sie hat ihre Freiheit, ihr eigenes Vermögen und ihr Schiff riskiert, um Menschenleben zu retten – wie es für jeden guten Seemann und jede gute Seefrau selbstverständlich ist.

Danke Carola Rackete!

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Ist der Mensch nur ein Virus?

Naturkatastrophen, Brände, Erdbeben, Tsunamis, Hurrikane, Unwetter – so langsam kommt es mir vor, als würde die Erde ein Fieber befallen, um den Schädling Mensch zu bekämpfen.

Auf dem so genannte Feuerring rumpelt es verstärkt. In den USA verwüstet ein Hurrikan ganze Küstenregionen. Der Deutschen liebste Urlaubsinsel versinkt in den Fluten eines noch nie da gewesenen Unwetters. Der Ätna auf Sizilien droht, ins Meer zu rutschen. In Indonesien kommen über 1200 Menschen ums Leben.

Alleine, was in den letzten 12 Monaten an Katastrophen geschah, gibt so manchem das Gefühl, als würde der Organismus Erde versuchen, sich vom Befall der Krankheit Mensch zu befreien. Wenn man bedenkt, was wir dem einzigen uns bekannten bewohnbaren Planeten so antun, ist der Verdacht gar nicht mal so abwegig.

Fast täglich werden ganze Tierarten ausgerottet, die Ozeane ersticken in Plastikmüll. Stündlich verschwinden mehrere Hektar Urwald. Dagegen ist der Hambacher Forst kaum erwähnenswert. Doch warum tun wir unserer Umwelt so etwas an? Aus Dummheit, Gedankenlosigkeit und um Aktionären etwas mehr Rendite zu verschaffen!

Nicht, dass ich das Kapital jetzt verteufeln möchte. Ich habe für meine Altersvorsorge selbst ein wenig zurückgelegt, wie viele von uns. Aber wir selbst können bestimmen, ob wir lieber in Firmen investieren, die Menschen das Wasser abgraben, um es ihnen hinterher in Plastikflaschen wieder zu verkaufen. Oder Firmen, die Urwälder abholzen, um Platz für Maisanbau zu gewinnen. Daraus wird dann Treibstoff gewonnen, den wir ganz “umweltbewusst” als Biodiesel tanken.

Aber nicht nur die Natur, auch unsere Gesellschaft richten wir zugrunde. Der Lösungsansatz Europa erstickt in der Bürokratie. Die Idee von Toleranz und offener Zusammenarbeit wird von nationalistischen Dumpfbacken in Grund und Boden getreten. Meinungsfreiheit, Nächstenliebe, gegenseitige Unterstützung sind nichts mehr wert, gute Menschen werden zum Schimpfwort.

Das Wesen, dass von uns als Großer Geist, Allah, Manitou, Jahwe, Jehova oder einfach nur Gott genannt wird, hat seine ganz eigene, subtile Lösung des Problems gefunden. Er gab den Erfindern des Smartphones die richtigen Ideen ein.

Schaut euch mal um, wie viele da draußen herumrennen, ihr Handy direkt vor der Nase, ohne ihre Umwelt auch nur wahrzunehmen. Die Zahl der tödlichen Unfälle, die durch Handynutzung verursacht wurden, hat inzwischen mit der überhöhten Geschwindigkeit und dem Fahren unter dem Einfluss berauschender Mittel gleichgezogen.

Also brauchen wir uns keine Gedanken darüber zu machen, ob uns die Natur vom Antlitz der Erde tilgen will. Das schaffen wir schon ganz alleine.

 

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Den Rechten nicht den Mund verbieten?

Eine in heutiger Zeit nicht ungefährliche Frage: „Macht es mich zum Mittäter, wenn ich die ‚besorgten Bürger‘ nicht zum Schweigen bringe?“ Andersherum wird ein Schuh draus. Damit würden wir nämlich das Andenken an Menschen, wie die Geschwister Scholl mit Füßen treten. Diese und viele andere gaben ihr Leben dafür, dass auch Meinungen, die dem Mainstream unangenehm waren, nicht automatisch die Freiheit oder das Leben kosteten.

KZ

Nie wieder!

Wenn Menschen ihre Besorgnis darüber äußern, dass so viele unterschiedliche Kulturen unsere eigene Lebensart beeinflussen könnten, so sollten wir ihnen zuhören und ihnen mit glaubwürdigen Argumenten ihre Ängste nehmen. Andernfalls werden diese in Gewalt umschlagen.

Wenn ich einem Kind, das Angst vor dem Monster im Schrank hat, sage, es solle sich nicht so anstellen und die Klappe halten, darf ich mich nicht wundern, wenn es irgendwann auf dem Schulhof andere Kinder verprügelt. Es hat nie gelernt, mit dem Unbekannten umzugehen und wird es als Bedrohung empfinden.

Öffne ich abends den Schrank und zeige dem Kind, das nichts Gefährliches drin ist, installiere vielleicht noch ein Nachtlicht oder setze mich ans Bett, um mir seine Sorgen anzuhören, dann wird es sich ernst genommen und geborgen fühlen.

Aber ist denn die Beeinflussung meiner Kultur so gefährlich? Also, ich möche auch in Zukunft mit meiner Famile das Weihnachtsfest feiern oder den Kindern beim St.-Martins-Umzug zusehen. Ich möchte aber auch gerne einmal an einem muslimischen Fastenbrechen oder einem jüdischen Chanukka teilnehmen. Ich sehe die Möglichkeit dazu als Bereicherung meines Umfeldes an – nicht als Gefahr. Kultur ist im ständigen Wandel. Genau das stärkt sie.

Die Vorfahren, der Menschen, die von manchen hierzulande als Gesocks bezeichnet werden, haben in Damaskus schon chirurgische Techniken gelehrt, als bei uns Alternativmediziner noch als Ketzer auf dem Scheiterhaufen landeten.

(Quelle: Pinterest)

Als ich noch im BRAVO-Alter war, wurde dem englischen Sänger Elton John eine heimliche Hochzeit mit der deutschen Schauspielerin Barbara Valentin angedichtet. In Interviews äußerte sie sich dazu, dass das eine Privatsache zwischen ihr und Elton sei und man das doch bitte respektieren möge. Eine eventuelle Homosexualität Elton Johns war damit vom Tisch.

Später funktionierte eine ähnliche Aktion ganz hervorragend mit Freddie Mercury.

Heute wird bei einer Zeitungsmeldung über die Hochzeit eines CDU-Politikers mit einem Mann höchstens die grammatikalische Korrektheit der Schlagzeile kritisiert.

Im Jahr 1971(!) wurde in der Schweiz das Frauenwahlrecht eingeführt.

Maria aus Magdala war eine untadelige Frau von altem jüdischen Adel. Erst ein Papst, ich glaube, es war ein Clemens, sorgte dafür, dass aus ihr eine Prostituierte wurde. Judith erschlug den Feldherrn des Nebukadnezar – und was mit Johanna von Orleans passierte, lässt sich überall nachlesen. Aber selbst der älteste Männerverein der Welt beginnt, die Patina, die in rund zweitausend Jahren das Bild der Frau verkrustet hat, an der Oberfläche etwas anzukratzen. Glücklicherweise haben Scheiterhaufen als Argumentationshilfe inzwischen ausgedient.

Im Koran wird übrigens Isa ben Maryam, also Jesus, der Sohn von Maria als einer der größten Propheten des Glaubens dargestellt. In älteren Ausgaben gelten Juden und Nazarener, wie sich die Christen früher nannten, nicht als Ungläubige, sondern als Menschen, die ebenfalls den einen Gott verehrten. Dass die Übersetzungen der betreffenden Suren in den letzten Jahren mehrmals überarbeitet wurden, mag ich nicht bewerten. Dazu fehlt mir die tiefe Fachkenntnis und das Sprachverständnis. Vielleicht sollten bestimmte Leute einfach ihre eigene Lektüre mal im Original lesen. Mein Arabisch ist mehr, als dürftig.

Aber genauso, wie die Salafisten den Koran journalistisch überarbeiten, haben Papst Innozenz und seine Nachfolger versucht, das Bild der Frau in der Bibel ihren Ansichten anzupassen. Der zeitliche Abstand kommt sogar fast hin.

Und wenn irgenwelche Afghanen glauben, sie könnten hier unsere Mädchen abstechen, dann werden sie ganz schnell feststellen, wo unsere Toleranz endet. Mord ist Mord, egal welche Hautfarbe, Kultur oder Herkunft keine Rolle spielt.

Wir, unsere Eltern und Großeltern haben hart und leidenschaftlich daran gearbeitet, dass in unserem Land eine Kultur der Vielfalt und Toleranz gelebt werden kann.

Das lasse ich mir weder von religiösen Fundamentalisten, noch von bildungsresistenten Geschichtsverweigerern kaputtmachen!

Lieber diskutiere ich so lange mit denen, bis sie freiwillig das Weite suchen.

Und für die, die übertreiben, haben wir ein griffiges Strafrecht, das keine Unterschiede macht.

In diesem Sinne: Lassen wir uns auch in 2018 unser Leben nicht kaputtmachen.

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Stolzer kann ein Vater kaum sein

Es könnte sein, dass mein Bericht nicht ganz subjektiv ist. Aber die Chance, so etwas bringen zu dürfen, hat man nur wenige Male im Leben.

Wenn man bedenkt, meine Großmutter war eine phantastische Sängerin, meine Eltern begeisterte Musiker, ich selbst hatte im zarten Alter von vier Jahren das erste Mal ein Mikrophon in der Hand. Meine Eltern hoben mich auf die Bühne und ich begann spontan mit „Hänschen klein“. Erste Strophe, Refrain – Text an der Abendkasse. Der Moderator versuchte noch, als Souffleur die Situation zu retten, aber der Text kam nicht wieder. Egal, das Publikum war von dem singenden Dreikäsehoch ziemlich angetan und spendete reichlich Applaus.

Komisch, wie so etwas noch nach Jahren im Gedächtnis bleibt. Das war der Moment, als ich mit dem Bühnen-Virus infiziert wurde.

Inzwischen kamen noch viele Auftritte dazu. Gezählt habe ich sie nie, aber im Lauf der Jahre kamen bestimmt einige Hundert zusammen.

Meine Tochter hat mich gerne zu meinen Gigs begleitet. Mit dreizehn Jahren kam sie auf die Idee, mitzusingen. Peng – infiziert!

Mein Sohn kümmerte sich lieber um die Technik. Er hatte das Talent, uns auch mit geringen Mitteln einen transparenten und dabei fetten Sound zu zaubern. Wie oft kam meine Frau gegen 22:00 Uhr angefahren, um unseren minderjährigen Sohn nach Hause zu bringen. Sein abschließender Standardspruch: „Vatta, ich hab alles soweit eingestellt. Dreht nicht mehr an den Reglern rum, dass passt jetzt so weit.

Und wehe, ein befreundeter Mitmusiker versuchte, noch etwas nachzuregeln. Wir lernten schnell, dass es besser war, ein Tuch übers Mischpult zu legen und seine Einstellungen nicht mehr anzufassen. Die Solisten mussten dann eben wie früher bei lauten Tönen selbst etwas weiter vom Mikrophon weggehen, zumindest, bis er 18 war.

Das war mehr sein Ding. Unserer Musikszene war er als der immer freundliche und zuverlässige McFloppy bekannt, nicht zuletzt wegen seine Leidenschaft für amerikanische Frikadellenbrötchen. Ein bisschen verschüchtert, hielt er sich meistens im Hintergrund. Seine Intention war, immer das Optimum an Klang herauszuholen, egal, wie gut oder schlecht die Akustik war.

Dann meinte er vor einigen Monaten, er wolle das mit dem Singen doch einmal ausprobieren. Nur, sich von mir coachen zu lassen, fand er weniger prickelnd. Ich war zwar inzwischen ein ganz ordentlicher Gesangscoach geworden. Nur innerhalb der Familie funktioniert das nicht. An seiner Schwester hatte er zu oft gesehen, dass wir hervorragend harmonieren, solange ich nicht versuchte, sie zu coachen. Irgendwann erwähnte er, er habe eine Gesangslehrerin gefunden, die erst einmal über Atemtechnik, Stimmaufbau, Phrasierung und so etwas erzählte. Mhm, war mein Gedanke, zumindest scheint sie zu wissen, wovon sie spricht.

Ich sollte sie noch kennenlernen. Eine Frau, die man mit einem einzigen Wort beschreiben kann: Naturgewalt. Eine Stimme, die spontan an die viel zu früh dahingegangene Joy Fleming erinnert. Wie eine Aura umwabert sie die Leidenschaft für das, was sie tut. Der Lange hätte keine bessere Wahl treffen können.

Und jetzt steht er da. Das Lampenfieber leuchtet wie zwei Verfolgerspots aus seinen Augen. „Muss ich da jetzt hoch? Ich mache mir gleich in die Hose!“

„Gut.“

„Wie, gut?“

„Je aufgeregter du bist, desto geiler wird’s. Und jetzt geh‘ da hoch und hab Spaß! “

So ganz überzeugt scheint er nicht zu sein, aber mit der Haltung eines Delinquenten versucht er, erhobenen Hauptes in Richtung Schafott zu schleichen.

Das Line-Up ist Sahne pur. Eine der besten professionellen Session-Bands, zwei ausgebildete Musical-Darstellerinnen, eigentlich die Headliner, die jetzt in die zweite Reihe zurücktreten, um die Backing-Vocals zu geben. Oh je, denke ich mir, um da auch nur ansatzweise mithalten zu können, muss er richtig Gas geben.

Vorher sagen sie ihn aber noch an: „Ich habe euch ja noch einen ganz besonderen Gastauftritt versprochen. Jetzt kommt ein Mann, der einen unglaublichen Stimmumfang hat und gewaltig Druck machen kann – und einfach ne geile Sau ist.

HIER! KOMMT! FLO!!!

Keine Ahnung, wie er da hingekommen ist, aber da steht er, mein Großer. Er weiß noch nicht so genau, was er mit seinen Händen anfangen soll. Am liebsten wäre er jetzt tot, auf einem anderen Planeten oder erst gar nicht geboren worden, schreit seine Körpersprache hinaus. Doch dann strafft er sich, als die Band das Intro spielt: Harder To Breath von Maroon 5. Spinnen die, mit so einem Klopper anzufangen?

Nach den ersten Takten weicht die Schockstarre aus seinem Gesicht. Die erste Strophe klingt noch etwas kratzig, aber dann geht es wie ein elektrischer Schlag durch seinen Körper.

Der leicht verschüchtert wirkende McFloppy ist verschwunden. Da oben steht ein Mann, der ganz genau weiß, was er da tut und wie er das Publikum mitreißt. Da steht ein Rocksänger, der aus jeder Pore schreit: „Genau hier bin ich zu Hause!“

FLO

Ich glaube, während des ganzen Titels habe ich nicht geatmet. Jetzt bringe ich erst einmal meinen Unterkiefer, der es sich auf meiner Brust gemütlich gemacht hat, wieder an Ort und Stelle.

Gerade, als ich „Zugabe“ rufen möchte, donnert es von der Bühne: „WOLLT IHR NOCH EINEN?“

Das Publikum ist sich einig: „JAAA!“

Dead Or Alive von Bon Jovi – Der schreckt wirklich vor nichts zurück. Hallo, wer bitte sind sie und was haben sie mit meinem Sohn gemacht?

Als hätte er nie etwas anderes getan, hält er Augenkontakt mit jedem im Saal, performt, statt einfach nur dazustehen, bezieht seine Backline mit ein. In den Jahren als Roadie und Tonmeister hat er vieles immer wieder gesehen, das er jetzt instinktiv abruft. Oh je, ein Texthänger – kann passieren, aber um damit umzugehen, fehlt ihm die Erfahrung. Mist, dabei ist es doch so gut gelaufen. Von wegen! Mit einem kurzen Zucken der Augenbraue quittiert er den Fehler und singt einfach irgendetwas, das sich so ähnlich anhört. Zwei Zeilen später ist er wieder im Text – hat keiner gemerkt. (Das ist der Moment, in dem auch er sich infiziert, aber das wird er erst viel später spüren.)

Viel zu schnell ist der Titel vorbei. Mit einer perfekten Bühnenverbeugung – Oberkörper abknicken und entspannt nach vorne fallen lassen – federt er den Rücksturz in unser Raum-Zeit-Kontinuum ab. Als er sich mit strahlendem Gesicht wieder aufrichtet, um mit Recht den frenetischen Beifall entgegenzunehmen, fällt mir nur noch eins ein:

Scheiße nochmal, der Sack hat ja mal sowas von abgeliefert!

Ich glaube, da darf man als Vater auch ruhig ein bisschen  stolz sein.

Das bin ich – und nicht nur ein bisschen.

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Reggae mer uns net uff

Einige Menschen in meinem Bekanntenkreis haben sehr weit rechts gewählt. Ich kann auch nicht verstehen, warum sogar Behinderte auf deren Parolen angesprungen sind. Aber würde ich sie jetzt aussortieren, begäbe ich mich auf dasselbe Niveau, wie diejenigen, die anders Denkende, Aussehende, oder Sprechende als unwert bezeichnen. Nein, unsere Aufgabe muss es jetzt sein, auf diese Menschen zuzugehen, ihre Motive zu erfragen und ihnen unsere Werte näher zu bringen.

Das sollte doch in vier Jahren zu schaffen sein, oder?

Wenn unsere Demokratie nicht stark genug ist, um ein paar Krakehler auszuhalten, dann haben wir etwas falsch gemacht.
Ich persönlich werde niemanden jagen und lasse mich auch nicht heim ins Reich holen. Da bin ich nämlich schon. Nur dass mein Reich inzwischen demokratischer, toleranter und freier ist, als es in seiner Geschichte je war.

Dass es hier immer etwas zu verbessern geben wird, kann jeder Häuslebauer nachvollziehen.

Also, Ärmel hochkrempeln und versuchen, etwas von der jamaikanischen Lässigkeit anzunehmen. Es gibt viel zu tun und ein bisschen Reggae dabei kann nicht schaden.

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Kleine Begebenheiten, die das Leben abwechslungsreich gestalten

Es ist schon etwas her, aber noch so präsent, als wäre es gestern gewesen.

In der Nähe meines Elternhauses liegt eine Driving Range. Das ist ein Trainingsgelände für Golfer, auf dem sie ihre Abschläge üben können. Die ist für Rollstuhlfahrer zwar nicht so geeignet, aber das dazugehörige Restaurant ist richtig gut.

Während ich Richtung Eingang rolle, fällt mir ein Golfer auf, der aus einem Katalog entsprungen sein könnte. Batschkapp, Dreiviertelhose, karierte Strümpfe und nicht ein einziges Stäubchen auf der Schlägertasche.

Ich höre, wie er seine Begleiterin fragt, was denn dieses Gesocks hier soll. Sein leicht angeekelter Gesichtsausdruck und die Kopfbewegung in meine Richtung lässt keinen Zweifel daran, dass er mich meint. Seiner Begleiterin ist anzusehen, dass sie die Bemerkung mehr, als unpassend findet.

Na, dir geb ich, mein Freund!
Ich rolle zu ihm hinüber, und frage ihn, was er mit dieser Anfängerfrage denn meint. So neu, wie seine Sachen aussehen, muss er bestimmt den Unterschied zwischen einem Putter und einem Holz im Internet recherchieren.
Ich könne da nicht mitreden, meint er von oben herab.
„So? Ich habe ein Handicap von zwei und Sie?“
Mit großen Augen lässt er sein Kinn auf Brusthöhe herunterklappen.
Ein Geräusch zwängt sich aus seiner Kauleiste, das sich anhört, wie: „Äh, zwei?“
„Ja“, entgegne ich im Plauderton. „Mein linkes Bein und mein rechtes Bein.“

Während er sich noch am Kinn kratzt, bricht seine Begleiterin vor Lachen zusammen.
Das scheint zu ihm durchzudringen. „Los, komm!“, fährt er seine Begleiterin an und entschwindet in Richtung seines offenen Kleinwagens aus Zuffenhausen, der auf dem Behindertenparkplatz steht. Ich will ihm noch hinterherrufen, dass diese Parkplätze nur für KÖRPERbehinderte sind. Aber nachher platzt er noch vor Wut und ich muss die Parkplatzreinigung bezahlen. Also halte ich besser meine Klappe. Seine Begleiterin schenkt mir ein breites Grinsen und einen hochgestrecken Daumen und stöckelt ihm hinterher.

Hatte ich erwähnt, dass ich eigentlich von Golf bis auf ein paar aufgeschnappte Fachbegriffe absolut keine Ahnung habe?

Irgendwie hat mir das Essen an dem Tag noch ein bisschen besser geschmeckt

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Rassismus in Deutschland?

Als ich noch besser zu Fuß war, arbeitete ich gerne in Auslandsprojekten. Andere Kulturen kennenzulernen und es auch noch bezahlt zu bekommen, war nicht die schlechteste Möglichkeit, für die Miete zu sorgen. Während eines Projekts in Lateinamerika traf ich auf eine schwarze Texanerin. Ihre Geschichten über die heute noch existierende Rassenproblematik konnte ich zunächst kaum glauben. Zumindest hielt ich sie für stark übertrieben.

Ich bin in der Nähe einer Housing Area der US Streitkräfte aufgewachsen und habe mit Kindern aller Hautfarben gespielt. Für mich war es selbstverständlich, dass Menschen unterschiedlich aussehen und sprechen. Unsere gemeinsame Sprache entwickelte sich ganz natürlich aus unseren Spielen. Rassismus gehörte nicht zu unserem Wortschatz. Das einzige, das unseren Umgang mit anderen beeinflusste, war die Art, wie sie uns behandelten. Viele brachten auch eigene Spiele aus ihrer Kultur mit. Unsere Rasselbande war wie eine Türe Smarties, einfach bunt.

Neue Kinder brachten immer auch neue Ideen und neue, faszinierende Spiele mit. Manche trugen andere Kleidung oder Kopfbedeckungen. Das war eben so. Andere kamen Freitag, Samstag oder Sonntag nicht raus zum Spielen. Schön war es, wenn sie von zu Hause etwas zu Essen mitbrachten. Meistens war es süß und ziemlich klebrig. Einmal brachte ein Mädchen eine Dose mit, aus der sie begeistert einen furchtbar stinkenden Fisch zog. Ihrem Gesicht nach musste der eine Geschmackssensation sein. Vorsichtig probierte ich ein winziges Stück. Sensationell war das schon, aber nicht auf die Art, die ich erwartet hatte. Selbst jetzt, da ich diese Zeilen Jahrzehnte später schreibe, habe ich wieder diesen entsetzlichen  Geschmack im Mund. Unser Verhältnis kühlte für die nächsten Stunden etwas ab. Nachdem sie einige Tage später das leckerste Lakritz mitbrachte, das ich bisher gegessen hatte, waren wir wieder allerbeste Freunde.

Andere Menschen mögen sich anders kleiden, andere Feiertage oder Ernährungsgewohnheiten haben. Deswegen müssen sie aber keine besseren oder schlechteren Menschen sein. Dieses Credo sog ich praktisch während meiner Kindheit auf.

Umso mehr Unglauben brachte ich den Geschichten meiner texanischen Kollegin entgegen. Natürlich hatte ich schon über Rassentrennung und -Diskriminierung gelesen. Es ist aber ein Unterschied, ob man von etwas liest, oder es von Betroffenen berichtet bekommt. Später sollte ich sogar direkt erleben, wie es sich anfühlt. Dass es so etwas in meiner Heimat geben sollte, in einem Land, in dem die Gleichheit sogar im Grundgesetz verankert ist, lag jenseits meiner Vorstellungskraft.

Heute wird Menschen, die sich schutzsuchend an uns gewandt haben, das Dach über dem Kopf angezündet.  Andere werden gejagt, verprügelt, ja sogar getötet, nur weil sie anders aussehen. Horden ziehen durch die Straßen, skandieren: „Deutschland den Deutschen“.

Ist das noch mein Deutschland? Das Land von Toleranz, Religions- und Gedankenfreiheit?

Klar ist es das! Nur, weil sich bildungsresistente Arschlöcher aufführen, wie die Axt im Walde, werde ich mit Sicherheit nicht Deutschland und die Deutschen pauschal verurteilen. Da wäre nämlich ebenfalls Diskriminierung und würde mich auf eine Stufe mit den Wutbürgern stellen.

Aber es wird Zeit, dass wir diese trotzigen Kinder mal zur Ordnung rufen, die die Geschichte nicht verstanden haben. Zur Not brauchen die auch mal einen kleinen Klaps auf die Finger.

Damit mein Deutschland wieder das Land der Freiheit, des Wissens  und der Toleranz wird in dem Dinge, wie Rassismus undenkbar sind.

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Von Behinderungen, Handicaps und Einschränkungen

Vorhin habe ich mich wieder aufgeregt. In einem Internet-Forum wollte man mal wieder Behinderten erklären, das Wort behindert sei etwas Schlechtes. Manche haben wegen ihrer Behinderung sowieso schon ein nicht besonders ausgeprägtes Selbstbewusstsein. Wenn man denen noch die Minderwertigkeit einimpft, dann trauen sie sich nicht einmal mehr, auf dem Behindertenparkplatz zu parken. Sie haben ja bloß eine kleine Einschränkung.

So ein Quatsch! Das ist genauso ein Kokolores, wie Behinderte jetzt politisch korrekt als Menschen mit Behinderung zu bezeichnen.

Menschen mit Behinderung sind in erster Linie Menschen und erst dann behindert. Also warum muss denn dann so vehement auf dem Aspekt Mensch herumgetrampelt werden? Als was habt ihr uns denn bisher gesehen? Als Küchenstühle?

Ja, ich bin behindert. Und weiter? Ich bin gleichzeitig auch Brillenträger, hetero, Europäer, Mann, grauhaarig, Vater, Sohn – ach ja: und Mensch.
Nicht auch Mensch oder nur Mensch – einfach Mensch.

Ich muss auch nicht ständig in der Mitte der Gesellschaft stehen, wie das so viele verlangen. Da glotzen mich bloß alle an. Irgendwo zwischendrin ist vollkommen in Ordnung.

Und wenn 15-jährige Schulabbrecher das Wort behindert in negativem Kontext benutzen, dann geht mir das kilometerweit an dem Körperteil vorbei, mit dem ich mein sündhaft teures Sitzkissen plattdrücke. Im selben Kontext verwenden diese Versager auch die Worte erfolgreich, zielstrebig und wissensdurstig. Nein, ich glaube, letzteres verwenden die überhaupt nicht. Ist ihnen zu schwer, vong Sprache her.

Ja, ich bin behindert. Und wie das geht!

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